Heute besuchten wir mehrere Schulen, die zu Gemeinden der Asante Presbytery der Presbyterian Church of Ghana (PCG) gehören. Und der Tag fing direkt schon mit Nachsitzen an: Unser Kirchenmusiker Martin ließ uns nach einer durchwachsenen Performance am Tag zuvor erst mehrere Lieder erneut proben, bevor wir losdurften; wir sollten zumindest etwas text- und tonsicherer werden...
Doch bevor es zur Junior High School der Ramseyer Gemeinde ging, besuchten wir den Trauergottesdienst eines verstorbenen Gemeindeglieds der „Payer Memorial Congregation“. Es war beeindruckend zu sehen, wie viele Menschen Abschied nahmen von Auntie Vida: Da waren natürlich ihre Familie, die Kinder, Enkelkinder und Urenkel sowie Gemeindeglieder jeden Alters und Vertreter und Vertreterinnen aus der Leitung des Asante Presbytery. Beerdigungen sind große Feierlichkeiten in Ghana und bedürften eines eigenen Kapitels, um sie zu beschreiben. Wir waren nur kurz dabei und sehr beeindruckt, wie würde-, liebevoll und festlich dieser Teil gestaltet war. Die Beerdigung wird am kommenden Samstag stattfinden. Von hier ging es zurück ins pralle Leben: Wir kamen in der Mittagspause in der Schule an, die nur fußläufig entfernt vom Basel Mission House, unserer Unterkunft [Karte: BMH], liegt. Die 155 Schülerinnen und Schüler der Junior High, die die Klassen 7 bis 9 umfasst, begrüßten uns lautstark schon aus ihren Klassenzimmern. Doch bevor wir mit ihnen ins Gespräch kamen, stellte sich unsere kleine Delegation dem Lehrerkollegium vor. Wir wollten vom Leiter der Schule und seinen Kolleginnen und Kollegen ein paar Hintergründe zum Schulsystem in Ghana erfahren. Neben Kindergarten und Vorschule gibt es die Primary School, die die 1. bis 6. Klasse umfasst, anschließend folgt die Junior High School mit den Klassen 7 bis 9 und dann folgt die Senior High School, nach deren Abschluss man sich in der 12. Klasse dann z.B. für eine Universität qualifizieren kann. Die Schulen in Ghana sind staatlich organisiert und es muss kein Schulgeld bezahlt werden, außer für Privatschulen, die es ebenfalls gibt. Die Eltern müssen allerdings die Kosten für die Schuluniformen, Bücher und Materialien sowie Essen und Transport zahlen. Die Schulen, auch wenn sie zur PCG gehören, sind offen für alle Religionen und meist in mehrfacher Trägerschaft. Da oft, wie bei den Schulen, die wir besuchten, das Land von den traditionellen Führern (Chiefs) einst der kirchlichen Mission gestiftet wurde, sind die Chiefs, die Kirche, Staat und Gemeinde bei Belangen, die eine einzelne Schule betreffen, involviert. Der Staat bezahlt neben dem Gehalt der Lehrer und Lehrerinnen pro Quartal einen Beitrag je Schulkind für den Betrieb der Schule. Allerdings langen diese etwa 10 EUR meist nicht dafür, dass in moderne Lehr- und Lernmittel investiert werden kann oder um die Gebäudeinfrastruktur nachhaltig zu erhalten oder zu modernisieren. In Gesprächen mit den Verantwortlichen wurde der Frust deutlich, dass der Staat den Bildungssektor zwar als Priorität ansieht, aber meist nur auf dem Papier.
Vor den großen Ferien stehen in den Schulen nun Abschlussprüfungen an, die insbesondere für diejenigen von großer Bedeutung sind, die auf eine weiterführende Schule wechseln können. Also Stress und Anspannung für Lehrpersonal wie Schülerschaft. Umso schöner, dass sich all unsere Gegenüber Zeit für uns, unsere Fragen und die Begegnung nahmen.
Selbst ein angegliederter Kindergarten bereitete sich auf das Ende des Schuljahres vor: Die Kleinen probten Tänze, die zum Schulabschlussfest aufgeführt werden sollen. Anne und Helen versuchten sich direkt einige Schritte abzuschauen. Wir anderen waren in den älteren Klassen unterwegs und wollten ein wenig von Schülerinnen und Schülern erfahren, was sie bewegt, was sie auch von uns vielleicht gerne wissen wollten. Alex wollte zum Beispiel erfahren, was über Deutschland bekannt ist, welchem Fussballverein sie anhängen und welche Berufswünsche es in der 8. Klasse gibt, in der wir waren. Von Ärztin, über Polizist oder Soldat bis hin zu Musikerin oder Rapper, aber auch Fußballer und auch Pfarrerin reichten die Wünsche. Wir wurden nach der Zusammenarbeit zwischen Ghana und Deutschland gefragt und ob es nicht mehr Möglichkeiten für eine Ausbildung oder einen Studienplatz in Deutschland geben könne. Alt sahen Alex und ich aus, als gefragt wurde, wie viele und welche Sprachen wir denn fließend sprechen würden: na ja, Deutsch und Englisch eben. Neben Englisch und Twi sprechen einige der Schüler und Schülerinnen noch andere Sprachen Ghanas oder lernen beispielsweise Französisch. Gefragt wurden wir außerdem, ob es denn auch verschiedene Volksgruppen in Deutschland gäbe. Ja klar, denn betrachtet man alleine Unterschiede zwischen Hessen und Bayern oder auf der lokalen Ebene zwischen Menschen aus Limburg und Weilburg: Da können Welten dazwischen liegen und es bedarf der sensiblen Kulturvermittlung.
Im Austausch mit Seth, dem Rektor der Primary School der Ramseyer Gemeinde, fragte Johannes danach, was für gesellschaftliche, positive Entwicklungen bestehen und was sich aber auch noch ändern sollte in Ghana. Es herrsche eine Mentalität vor, die sich danach richte, dass der oder die Stärkere überlebt – „Survival of the fittest“. Diese Ellbogenmentalität müsse abnehmen. Entsprechend verpflichtet sich seine Schule auch dafür, Schülerinnen und Schüler hervorzubringen, die einen wichtigen Beitrag für ihre Gemeinschaften und das Land leisten können und zwar dadurch, dass sie sich durch moralisches Handeln auszeichnen. Die Vermittlung hoher kultureller und religiöser Werte sei für ihn entscheidend. Wir diskutierten gemeinsam noch weiter über den Wertebegriff und vor allem den Grad von „Entwicklung“. Bettina warf dabei ein, dass auch in Deutschland nicht alles zum Besten steht und die Vorstellungen von Reichtum zu Konflikten führen können, auch in unserer Partnerschaft.
Auf der reinen Mädchenschule, der Presbyterian Girls’ Senior High School [Karte: 1], mit aktuell 628 Schülerinnen und 49 Lehrerinnen und Lehrern, setzen wir unsere Gespräche und den Austausch fort. Die Delegation fragte sich, wie man aber zumindest einen Teil all der Eindrücke, die wir gewinnen, den Menschen im Dekanat daheim auch (be-)greifbarer machen kann. Kurzerhand wurde die Rektorin, Mistress Juliana, gefragt, ob wir nicht Interviews mit einigen Mädchen zu ihrem Alltags- und Schulleben machen dürften und diese filmen könnten. Es war kein Problem und sieben Mädels, die zu den besten ihrer Jahrgänge zählen, stellten sich gerne und sehr selbstbewusst Benjamin, der selbst Lehrer ist, und seinen Fragen; die Kamerakinder Martin und Johannes zeichneten die Interviews auf.
Das Ergebnis wird man dann bald im Dekanat an der Lahn vorgeführt bekommen, seien Sie gespannt!
Nach all den Gesprächen und den vielschichtigen Informationen wollten uns unsere Gastgeber noch etwas Gutes tun und luden uns zu einer Fahrt zum See Bosomtwe [Karte: 2] ein. Erst vor einigen Jahren fanden Forscher heraus, dass der See vor über 1 Million Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstanden war.
Wir machten dort eine Bootstour in den Sonnenuntergang hinein, besuchten aber vorher noch eines der Dörfer an dessen Ufer. Wir stehen auf der Straße und plötzlich hält ein Motorrad vor uns an und der Fahrer fragt uns auf deutsch mit hessischer Klangfärbung, wo wir denn herkommen würden. Er, der ghanaische Wurzeln hat, kommt aus dem Frankfurter Raum und verbringt seinen Urlaub gerade hier. Wir tauschen Kontakte aus und staunen: Hessen ist irgendwie überall…
Müde und erfüllt lassen wir uns von Joshua, unserem super Fahrer, sicher über noch nicht asphaltierte Straßen wieder nach Hause fahren. Nach dem Abendessen, es gibt Fisch und Pommes, wollen wir eigentlich gerne entspannt im „Say Yes“, einer Bar, einkehren und den Tag beschließen. Doch Joseph, unser täglicher Begleiter, gibt uns noch eine Hausaufgabe auf und bittet uns, ihm schriftlich ein paar Eindrücke des Tages zu schicken. Machen wir doch gerne, Herr Lehrer.