Triggerwarnung: In diesem Blogeintrag wird von einem schweren Autounfall berichtet – für wen das nichts ist, der sollte diesen Tag lieber überspringen.
Tag 5 beginnt, wie bisher immer, mit einem wunderbaren Frühstück bestehend aus Toast, Ei, Baked Beans, Ananas, Banane, Gurke Melone und Tomate. Zu trinken gäbe es nur, wie bisher auch immer, Schwarzer Tee, Instant-Pulver-Coffee und Instant-Kakao, hätte nicht der Autor dieses Blogeintrages eine Kaffeemaschine mit ins Gepäck geschmuggelt. Es dauerte nicht lange, da verbreitete sich diese Nachricht unter der Gruppe, sodass an diesem Morgen bereits 3 von uns einen frisch gebrühten Kaffee „wie zuhause“ genießen können.
Nach dem Frühstück meldete unser Freund Joseph die gute Nachricht: „Der Schneider ist da!“. Drei von unserer Gruppe hatten sich gestern auf dem großen Markt in Kumasi schöne Stoffe ausgesucht, um sich Kleidungsstücke herstellen zu lassen. Selbstverständlich wird das Ergebnis hier gezeigt, sobald die Stücke fertig sind.
Der heutige Tag ist der zweite Tag von zwei, der ganz dem Kennenlernen der Kultur der Asante gewidmet ist. Es ist wichtig, die historischen und spirituellen Hintergründe von Ghana bzw. der Ashante Region zu verstehen, wenn man die Kultur Ghanaer verstehen möchte. Joseph, unser guter Freund und Guide, begleitet uns. Asanti, so werden die Einwohner der Ashante Region genannt, leben in einem großen Raum in Westafrika, der sich etwas weiter über die politischen Grenzen von Ghana hinaus erstreckt. Hier regieren Cheifs und der König (Asantehene) parallel zum demokratisch gewählten Präsidenten. Der Asantehene, chairman oft he golden stool, bestimmt auch heute noch die spirituelle und politische Richtung der Ashanti Region. So bekämpft er beispielsweise aktiv Korruption unter den Chiefs, welche gegen ihren Eid verstoßen und ihr Land an illegale Goldgräber verkaufen. Beim ersten Stopp des Tages [1], das Manhyia Palace Museum in Kumasi, herrscht striktes Fotografierverbot – schließlich war es der Sitz der 3 letzten Asantehene, Prempeh I, Prempeh II und Opoku Ware II gewesen. Letzterer stiftete seinen Sitz 1995 an das Museum, um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ursprünglich wurde das Gebäude von den Briten 1925 als Entschädigung für den zweijährigen anglo-asanti-Krieg (1900-1901) als private Residenz für Prempeh I errichtet, welcher sich fast 30 Jahre im Exil auf den Seychellen befand. Besonders stolz ist das Museum auf seine über 30 Artefakte aus purem Gold, die von den Briten 2024 an private Sammler verkauft wurden, welche sie dem Museum als Exponate zur Verfügung stellten. Bemerkenswert ist, dass sich das Museum seit der letzten Partnerschaftsreise im Jahr 2018 sehr verändert hat – neben einem neuen Schriftzug über dem Eingang wurde auch ein neuer Videoraum errichtet, in dem zu Beginn der Führung ein kurzer Film über die Geschichte des golden stool gezeigt wurde. Auch sind zwei Wachsfiguren, eine des aktuellen Königs Otumfuo Nana Osei Tutu II und eine weitere der aktuellen Asantehemaa Nana Konadu Yiadom III, der Schwester des Königs, mit welchen Fotos durch einen Fotografen des Museums gemacht werden dürfen.
Anschließend gibt es frische Kokosnuss. Nach einem kurzen Lunch im Basel Mission House [BMH] machen wir uns auf zu unserem zweiten Stopp des Tages, der Webmanufaktur in Bonwire [2]. Im Bezirk Bonwire angekommen werden bereits vom Discrict Manager erwartet, welcher uns nach einem sehr kurzen Empfang seine Schule präsentieren wollte. Da diese direkt neben dem Verwaltungsgebäude war, und uns alle Schüler bereits durch die geöffneten Fenster hatten kommen sehen, können wir diesem außerplanmäßigen Halt nicht widersprechen. Die Schülerinnen und Schüler der Presbyterian Model School versammeln sich auf dem Schulhof und gemeinsam singen wir, zugegeben ohne Vorbereitung etwas schief, „Gottes Liebe ist so Wundervoll“ – ein Kinderlied, dass auch die Kinder in Englisch gut mitsingen können. Nach einem Gruppenfoto geht es mit dem Bus eine kurze Strecke zur Weberei einige hundert Meter weiter.
An diesem Ort wird in echter Handarbeit der sogenannte Kente-Stoff gewebt. Mittels einem von drei Webverfahren werden verschiedene Muster erzeugt. So entstehen die Stoffe für Chiefs und Könige – aber auch Schals und Tücher werden hier hergestellt und zum Verkauf angeboten. Das kleine Museum neben der Manufaktur, welches wir zu Beginn besichtigen, ist nagelneu und wurde erst im September 2024 fertiggestellt. Hier sind viele alte Kente-Stoffe ausgestellt. So einzigartig wie jeder dieser schönen Stoffe ist, teilen sie doch alle eine Gemeinsamkeit: sie sind sehr teuer, da aufwendig in der Produktion. Aufgrund dieses hohen Preises können sich den Stoff nur die Chiefs leisten. Der Preis für den teuersten Stoff liegt bei etwa 20.000 GHS (1.600 €, ca. 6.000 € unter Berücksichtigung der Kaufkraft). Nach der Führung durch das Museum besuchen wir die Manufaktur selbst.
Noch während wir herumgeführt werden, bemerken wir, wie im Hintergrund einige Händler ihre Waren für uns auf dem Platz ausbreiten. Sie verkaufen gewebte Armbänder, Schlüsselanhänger, Gemälde und Taschen. Da wir nicht planen etwas von ihnen zu kaufen, kommen wir stattdessen mit ihnen ins Gespräch und erfahren, wo sie leben und was sie inspiriert. Im Inneren des Museumsshops auf hat jeder der Handwerker seinen eigenen Tisch, auf dem er seine Stoffe ausstellt und verkauft. Dass hier alles auf Tourismus ausgelegt ist, erkennt man spätestens daran, dass sie das Interesse auf ein Gespräch verlieren, nachdem man ihnen sagt, dass man nicht kaufen möchte. Auf der Fahrt zu einer weiteren Manufaktur für Kente-Stoffe sind wir zur Abwechslung mal auf einer neu gebauten Straße gefahren – hier war der Asphalt noch glatt und ohne Risse und Schlaglöcher [3]. „Super“, dachte ich, „dann kann man hier ja endlich mal etwas schneller fahren“. Doch dann passieren wir einen der schlimmsten Verkehrsunfälle, den ich jemals gesehen habe: wahrscheinlich aufgrund der viel zu hohen Geschwindigkeit konnten ein Lastwagen und ein PKW nicht mehr rechtzeitig bremsen und sind so zusammengestoßen, dass von dem PKW nicht mehr viel übriggeblieben ist. Die Fahrzeugteile liegen über 100 Meter quer verteilt auf der Fahrbahn, die Karosserie ist vollständig zerstört, überall tropft Öl, Benzin – und Blut. Der Fahrer des PKW, welcher sich noch im Fahrzeug befand, hatte den Unfall nicht überlebt. Um den Unfallort haben sich ca. 50 Anwohner versammelt, um noch zu helfen, wo zu helfen war. Die Rettungskräfte und Polizei sind zu dem Zeitpunkt noch nicht eingetroffen. Auf dem Rückweg müssen wir ebenfalls an der Kreuzung vorbei – viel hat sich nicht verändert, die Unfallfahrzeuge lagen noch an Ort und Stelle, lediglich ein Kran wurde aufgebaut, um die Fahrzeuge zu bergen. Den Toten konnte man nun nicht mehr sehen, da sich nun eine riesengroße Menschenmenge von 100-150 Menschen auf der Straße um das Fahrzeug befindet. Mehrere Polizeiautos und ein Rettungswagen kommen uns entgegen. Noch schwer bedrückt besichtigen wir noch einen letzten kulturellen Ort für heute, an dem Stempel mit den traditionellen Adinkra-Symbolen hergestellt werden. Anne stempelt sich eine Stola mit den Symbolen für „Gye Nyame“ (Gott ist König), „Osram ne Nsoromma“ (Harmonie im Glauben) und „Ese ne Tekrema“ (Freundschaft) mit dunkler Farbe, die Uli und ich in Schwerstarbeit vorher aus eingekochter Baumrinde herstellen mussten. 😉
Wer mehr über die Adinkra-Symbole erfahren möchte, kann sich hier informieren: https://www.adinkrasymbols.org. Für diesen Abend war eigentlich geplant, dass wir bei einer Gemeinde im Süden von Kumasi zum „Supper“ eingeladen sind, doch das hat irgendwie nicht geklappt. Nachdem wir der ortsansässigen Frauengruppe „Women’s Fellowship“ vorgestellt wurden und ein Lied (diesmal noch viel schlechter) gesungen haben, verließen wir die Gruppe, die extra auf uns gewartet hatte. Statt in der Gemeinde gemeinsam zu essen, wurden wir von den beiden Pfarrern zum Essen in ein Restaurant eingeladen [4]. Dies war ein echter Stilbruch, denn dieses Etablissement passte nicht in unser Bild – es hätte genauso ein gehobeneres Restaurant in Deutschland sein können.
Mit Clubsesseln, Musik, Getränken á la Carte und Kellnerpersonal haben wir Pommes, Fisch und Bananensticks vom Buffet gegessen. Nach der Übergabe der Gastgeschenke verließen wir das Restaurant. Ich hatte schon fast vergessen, dass wir gerade in Kumasi, im Herzen Ghanas, waren. Dieses Restaurant ist wirklich etwas besonderes – und wahrscheinlich war unser Besuch dort auch nicht günstig.